Auf dem Weg zu Tala bin ich noch unruhig. Ich habe mich zu einer Schwitzhütte bei ihr angemeldet, doch ich fühle mich erschöpft und abgespannt. War das die richtige Entscheidung zu fahren? Doch schon bei der Ankunft spüre ich, wie ich ruhiger werde und mich die Magie von Talas Platz im Wald in ihren Bann zieht.
12 Frauen und ein Mann haben sich heute angemeldet, sie alle wollen sich in der Schwitzhütte reinigen und beten.
In einer Redestabrunde lernen wir uns kennen, teilen unsere Intentionen, warum wir heute hier sind.
Gemeinsam machen wir uns danach daran, den Platz schön zu machen, alles wichtige vorzubereiten, wobei jede/r sich nach seinen Möglichkeiten einsetzt. Ich nehme mir die Zeit, mich auszuruhen und werde von der Gemeinschaft getragen und verspüre eine tiefe Dankbarkeit dafür. Die anderen hängen während dieser Zeit die Schwitzhütte mit Decken ab und schmücken den Platz.
Als sie fertig sind, entzünden wir gemeinsam das Feuer, widmen die Steine und legen
zum Erhitzen ins Feuer.
Danach ist Zeit sich auszuruhen, Kraft zu sammeln für das Ritual. Ich lege mich in die Hängematte, die Bienen summen um mich herum, ein tiefer erholsamer Schlaf beginnt.
Schließlich sind die Steine heiß genug, die Schwitzhütte beginnt. Wir gehen alle in den Schoß der Erde hinein und sitzen im Kreis. Dann eröffnet Tala, als Wassergießerin, die Hütte und bittet die Feuerhüterin, die heißen Steine zu bringen. Die Steine werden mit Wasser und Kräutern benetzt, dadurch entsteht Dampf, wir fangen an zu schwitzen. Es wird heiß in der Hütte, sehr heiß, die Welt draußen ist vergessen, alle Kraft ist jetzt hier drinnen, in der Dunkelheit. Vier Runde folgen, immer wieder werden Steine hineingetragen, wird gebetet, gesungen und getrommelt. In der Dunkelheit wird mein Geist weit und ich kann Dinge loslassen, die mich belasten, die ich schon lange mit mir herumtrage.
Als die Hütte vorbei ist, bleibe ich noch lange darin liegen, in Kontakt mit Mutter Erde und lasse die Energien fließen. Ich fühle mich wie frisch geboren, so viel ist in der Hütte von mir abgefallen.
Eine letzte Redestabrunde schließt die Hütte ab, wir essen gemeinsam die mitgebrachten Gerichte, überall entspannte, fröhliche Gesichter.
Die folgenden Wochen merke ich, wie ich immer wieder an die Kraft, die ich in der Hütte gespürt habe, andocken kann, es wird ein unbeschwerter, wunderschöner Sommer, der von Leichtigkeit geprägt ist.
Im November treffe ich Tala wieder und möchte mehr wissen über die Schwitzhütte. Wir gehen zuerst eine Runde durch den wunderschönen Herbstwald, dann machen wir es uns auf ihrem Sofa bequem, dicht bei dem wärmenden Holzofen und sie beginnt, indem sie mir eine wunderschöne Geschichte vom Stamm der Sioux zur Entstehung der Schwitzhütte, des Inipi vorliest. (Quelle: Tahca Ushte Medizinmann der Sioux von John Lame Deer, Richard Erdores, List Verlag).
Dann ist es Zeit für meine Fragen:
Interview
Du hast mir gerade eine Geschichte der Sioux vorgelesen, wie ist das Ritual der Schwitzhütte zu uns nach Europa gekommen? Gab es das früher auch hier?
Das ist eine spannende Frage. Ich denke, die Schwitzhütte ist so alt, wie die Fähigkeit der Menschen, Feuer zu machen, so alt wie die Sesshaftigkeit.
Die amerikanischen Natives haben sich dieses Ritual am längsten in seiner ursprünglichen Form bewahrt. Schwitzzeremonien gibt es in aller Welt von der Steinzeit bis heute.
In Europa gab es in alten Zeiten Schwitzhütten, dafür gibt es auch Belege, wie zum Beispiel Kuppelbauten, die von Archäologen ausgegraben werden. Im Iran, wo ich ursprünglich herkomme, gibt es das Hamam, wo die Menschen hingehen und sich mit Dampf und auf heißen Steinen zu reinigen. In Nordeuropa ist die Sauna eine uralte Tradition, auch hier geht es ums Schwitzen und sich Reinigen.
Der reinigende Aspekt ist übrigens ganz wörtlich gemeint: Früher hatten die Menschen kein fließendes Wasser zu Verfügung, da haben sie die Möglichkeit genutzt, sich mit Dampf und Schweiß zu reinigen.
Wie ist deine eigene Geschichte, wie bist du zur Schwitzhütte gekommen?
Ich bin mit 27 in meiner ersten Hütte gewesen und habe sofort gewusst, dass ich diese Zeremonie ehren und erhalten möchte. Ich habe dann sehr viele Hütten bei verschiedenen Frauen und Männern gemacht und von ihnen gelernt. Da ist schon sehr früh begonnen habe, mich mit dem schamanischen Weltbild zu beschäftigen, war und ist die Schwitzhütte für mich eines der kräftigsten Rituale.
Es gibt Schwitzhüttenleiter, die durch den Sonnentanz gegangen sind und die von Native American Medizinmännern initiiert sind und sehr traditionell die Zeremonie halten. Mir persönlich geht es um Verbindung zu unseren Wurzeln, ich singe deutsche Lieder und spreche deutsche Gebete, da ich will, dass alle TeilnehmerInnen verstehen, wofür wir gemeinsam beten oder danken.
In der Schwitzhütte gibt es eine bestimmte Ordnung, die respektiert werden sollte. Und Du trägst Verantwortung für das was passiert und rufst.
Was genau meinst du damit? Was für eine Ordnung gibt es?
Es gibt zwei wichtige Rollen in der Schwitzhütte: die Wassergießerin und der Feuerhüter.
Der Feuerhüter verkörpert das männliche Prinzip, die Wassergießerin das Weibliche. Diese beiden Personen halten die Hütte, sind verantwortlich für sie.
Die Wassergießerin ist dem Element des Wassers zugeordnet. Sie ist diejenige, die die Eröffnung macht, die die Gebete spricht und wie Wasser ins fließen bringt.
Der Feuerhüter bewacht das Feuer draußen von der Hütte und trägt die Steine in die Hütte hinein.
Die Kuppe symbolisiert das weibliche Prinzip (Gebärmütter), die Steine den Samen. Sie werden vom Feuer in den Schoß der Erde hineingebracht und dort befruchtet. Alles an der Schwitzhütte hat einen symbolischen Charakter.
Die Vereinigung zwischen diesen beiden Polen, dem männlichen und dem weiblichen, ist in jeder Hütte auch mit drin. Darum ist jede Hütte eine Ehrung von männlich und weiblich, des Eros.
Ich finde das heutzutage besonders wichtig, weil es ein Ungleichgewicht gibt zwischen dem Ehren des Männlichen und des Weiblichen. Häufig geht es nicht um Vereinigung, sondern darum, wer kräftiger ist. Dabei trägt beides dazu bei, man kann keine Schwitzhütte ohne Feuer machen. Es geht darum, dass das eine das andere ehrt.
Doch nicht nur das Männliche und das Weibliche wird in der Schwitzhütte geehrt, es geht auch um die Vereinigung, der vier Elemente, die wir in der Hütte an unserem eigenen Körper erfahren. Wir sitzen auf dem Boden von Mutter Erde, wir atmen die Luft ein, wir spüren die Wärme des Feuers in den Steinen und wie durch das Wasser der Dampf entsteht.
Wir fühlen, dass die Elemente zu uns gehören und wir Teil dieser Elemente sind. In der Schwitzhütte sind wir wie Kinder, die vertrauensvoll etwas abgeben, an etwas, was viel älter ist als wir. Wir ehren die vier Himmelsrichtungen, den Verlauf von Tag und Nacht, wie ehren unsere Ahnen und das kosmologische Gleichgewicht von Großvater Sonne und Großmutter Mondin.
Wir schwitzen für alle unsere Verwandten. Das heißt, wir Menschen sind nur ein kleiner Teil der Ordnung. Zur Ganzheit gehört, dass wir uns bewusst machen, dass wir mit allen Tieren, Pflanzen und Mineralien verbunden sind. Unsere Mitwelt zu ehren ein wichtiger Teil dieser Zeremonie.
Was passiert eigentlich mit uns in der Schwitzhütte?
Sinn der Schwitzhütte ist, sich zu reinigen. Wir schwitzen unserer Gebete. Wir können loslassen, beten, danken und einladen was zum Wohler aller unserer Verwandten dient. Wir können lernen unseren Verstand ruhiger werden zu lassen. Die Kontrolle an das Große Ganze abzugeben.
Durch die Hitze ist es ein sehr körperliches Ritual, was dir Grenzen und Demut aufzeigt.
Wenn das passiert, dann können wir unser Bewusstsein weit machen und uns öffnen für die Gebete, für das große Heilige, das, was dahinter liegt. Dabei entsteht ein Raum der Achtsamkeit, wir können uns vertrauensvoll anlehnen an etwas, was größer ist als unser Bewusstsein. Je weiter unser Herz wird, desto mehr können wir uns entspannen. Dann können wir erkennen, was uns wirklich wichtig ist, was wir jetzt brauchen, was wir abgeben können.
Und das kollektiv zu tun, in einer Gemeinschaft, das hat eine besondere Kraft, da ist viel Heilung möglich.
Eine Schwitzhütte kann viel Heilung bringen, sie kann aber auch nur reinigen, wenn wir viele negative Energien aufgeladen haben. Für mich hat eine Reinigung hat immer einen heilenden Aspekt.
Warum Schwitzhütten in der heutigen Zeit, warum sind Rituale wichtig?
Rituale sind wichtig, weil sie uns Struktur geben, weil sie uns im Jahreszyklus verankern und weil sie Räume anbieten, in denen wir achtsam miteinander umgehen, in denen Heilung geschehen kann.
Genau das fehlt uns sonst im Alltag, genauso wie der Kontakt zur Erde. Es ist eine ungemein bereichernde Erfahrung, wenn wir mit nur ganz wenigen Mitteln für uns sorgen können. Selbst wenn es hagelt und schneit, können wir uns wärmen und reinigen. Wir können den ganzen Tag draußen sein, ohne dass wir frieren oder es uns an etwas mangelt. Und diese Erfahrung gibt uns Vertrauen in unsere eigenen Kräfte.
Vielen Dank, Tala, für dieses schöne Interview.
Weitere Informationen:
Tala Mohajeri, Die Wildnis in dir, Irisiana Verlag 2017. Ein Interview über das Buch findet ihr hier.
Talas Homepage mit Informationen über den Zeitpunkt der nächsten Schwitzhütte findet ihr hier.
Die Fotos auf dieser Seite stammen von Tala Mohajeri, das Beitragsbild von mir.
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