Wir zogen kurz vor Weihnachten um. Raus aus der Stadt, weg vom Verkehr, ins Grüne. Ein Reihenhaus, ein kleiner Garten, nicht angelegt, eine braune Matschwüste im Winter.
Es waren anstrengende Zeiten. Unsere jüngste war gerade auf die Welt gekommen, mir ging es wegen einer Infektion nach ihrer Geburt lange nicht besonders gut. Wir waren froh, irgendwie über die Runden zu kommen, mit drei jungen Kindern im neuen Haus in neuer Umgebung. Um den Garten kümmerte ich mich erst, als der Winter vorbei und dann sollte alles so schnell und unkompliziert wie möglich sind. Rollrasen, ein paar Beete mit Rosen und Lavendel, ein Schmetterlingsflieder, Schaukel, das war’s.
Und das war auch vollkommen okay in dieser Situation. Ich hatte keine Energie für tiefergehende Überlegungen. Aber heute hat sich das geändert. Jetzt kann ich mir überlegen, was mir wichtig ist in meinem Garten, was er für mich darstellt.
Denn ein Garten ist immer auch ein Spiegel der Seele. Er zeigt, was den Menschen wichtig ist, womit sie ihre Zeit verbringen. Und ich möchte, dass mein Garten wieder wilder wird. Dass er nicht nur meiner Familie ein Zuhause bietet, sondern auch den ganzen Vögeln, Wildbienen und Insekten, die woanders kein Zuhause mehr finden.
Das große Insektensterben
Die Nachrichten in der letzten Zeit haben mich sehr erschrocken. Weil Hecken überall abgeholzt werden, weil die Landwirtschaft große Flächen mit Pestiziden verseucht, sterben große Teile unserer Tierwelt gerade jetzt aus. In diesem Moment. Über 70% aller Insekten sind schon verschwunden, auch bei den Bienen ist es ganz aktuell. Warum uns das nicht egal sein kann, hat Die Zeithier sehr treffend beschrieben.
Um das zu ändern, können wir uns politisch engagieren. Wir können uns für das Verbot von Glyhosat einsetzen, wir können mit Politikern diskutieren (z.B. mit Julia Klöckner auf Twitter).
Wir können uns allerdings auch fragen, wie es vor unserer Haustür aussieht. Ein weiterer Grund, warum viele Insekten und Vögel keine Nahrung mehr finden, ist nämlich, dass viele Menschen keine einheimischen Pflanzen mehr pflanzen, sondern exotische, mit denen Vögel und Insekten gar nichts anfangen können. Dazu gehören u.a. Forsythien (Japan), Kirschlorbeer (Kleinasien, Giftpflanze des Jahres 2013), Thuja (Nordamerika und Asien, giftig), und der Rhododendron (v.a. Südostasien).
Die Erfolgsgeschichte der exotischen Pflanzen
Wie kommen die exotischen Pflanzen in unsere Gärten? Bei der Beantwortung dieser Frage hilft ein Blick in die Geschichte des Gartens. Gärten zur Selbstversorgung gab es in jedem Dorf, dort wurden einheimische Gemüse- und Obstsorten angepflanzt. Diese gelten jedoch nicht als Kunstwerk und waren der Aufmerksamkeit der Gartenhistoriker nicht würdig. Ganz anders jedoch der herrschaftliche Schlossgarten, der vor allem zum Amüsement der herrschenden Schicht angelegt wurde. Einheimische Gemüse oder Obstsorten fanden sich hier nur in so genannten Bauerngärten, die als Kunstprodukt in die Gartenarchitektur integriert wurden.
Sonst waren die Gärten je nach Epoche mal strenger, mal verspielter, generell (das gilt auch für die Englischen Gärten) eine künstlich hergestellter Landschaft, in die gerne exotische Arten mit einbezogen wurden, um sich von den bäuerlichen Selbstversorgergärten abzugrenzen. So kam der Rhododendron nach Europa, die Forsythie, die Thuja, der Kirschlorbeer.
Zuerst in Schlossgärten und später Parks angepflanzt, mal als Solitär, mal als Hecke, fanden sie nach und nach ihren Weg in die Gärten des Bürgertums und sind nun in vielen deutschen Gärten dominant vertreten.
Dabei sind all diese Arten für die heimische Tierwelt vollkommen wertlos.
Früher, als die Industrialisierung der Landwirtschaft noch nicht so weit fortgeschritten war, haben ein paar Schlossgärten und Parks nicht viel ausgemacht. Doch wie ist das heute? Wo die Städte voller abgezirkelter Beete sind? Wo ganze Gehölze abgeräumt werden? Wo überall Brutraum für die Vögel schwindet?
Ein Garten für die Zukunft
Vielleicht können heute unsere Gärten wieder wilder werden? Weniger aufgeräumt, damit die Igel im Winter im Totholz wieder ein Quartier finden? Mit mehr Wildkräutern, damit auch die Schmetterlinge und ihre Raupen wieder etwas zu fressen finden? Mit mehr indigenen Arten, damit auch unsere Bienen überall Nektar finden?
Ich gebe zu, mir ist das ein wichtiges Anliegen. Doch ich möchte auch niemanden zu nahe treten. Wenn es für euch wichtig ist, dass es in eurem Garten nichts Wildes gibt, dann hat auch das seine Berechtigung. Aber vielleicht geht es euch ähnlich wie mir, dass euer Garten noch aus einer Zeit stammt, wo alles so einfach wie möglich sein sollte? Vielleicht hat sich das geändert? Hört mal in euch rein? Was ist euch wichtig?
Ich werde meinen Garten dieses Jahr weiter umgestalten. Ein Feld für Brennnesseln ist jetzt schon fest eingeplant (endlich morgens eigene Brennnesseln ernten für meinen Tee), den Weißdorn habe ich schon letztes Jahr nicht mehr geschnitten, damit er dieses Jahr endlich blüht (Weißdorn blüht nur am zweijährigen Holz), und im Herbst sich die Vögel an seinen Früchten erfreuen können. Dost, Rainfarn, Färbekamille (wie ihr Name sagt, auch so gut zum Färben geeignet) und echten Ziest will ich endlich anpflanzen und damit Wildbienen wieder in meinen Garten locken.
Den Rasen habe ich nicht mehr gedüngt (muss man auch viel weniger mähen, yeah!) und wenn sich kleine Pflanzen einfinden, so werde ich diese nicht ausreißen. Einen Teil werde ich zur Wildblumenwiese erklären, dort vertikutieren und dann Wildblumen säen. Den Löwenzahn werde ich sammeln und daraus Honig machen (immerhin weiß ich dann, dass diese Blüten weder gespritzt noch mit Urin verunreinigt wurden.) Die Ringelblumen von letztem Jahr kommen schon wieder, der Bärlauch, den ich hinten im Schatten angepflanzt habe auch, die Stockrosen haben sich erfolgreich vermehrt, ich freu mich so über meinen wilden Garten.
Urban Gardening
Wenn ihr jetzt in der Stadt wohnt und keinen Garten habt: Vielleicht gibt es vor eurem Haus, an eurer Straßenecke ein Stück Grün, das ihr adoptieren wollt? Einfach immer den Müll absammeln, sich an den Brennnesseln freuen (ganz wichtig für die Schmetterlingsraupen von Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs und Admiral) und auf die Schmetterlinge, Oder an dem Löwenzahn? Vielleicht aber wollt ihr auch etwas extra für die Bienen pflanzen? Hier findet ihr weitere Tipps zum Guerilla Gardening.
Was darf bei euch wachsen? Ich freue mich darauf, von euch zu lesen.
Herzlich,
Eure
Kathrin
Weiterführende Literatur und Links:
Elke Schwarzer, Mein Bienengarten, Ulmer Verlag 2017.
BUND, Wildbienen ein Zuhause geben
BUND, Wie helfe ich den Schmetterlingen? Kleine Maßnahmen mit großer Wirkung
NDR Beitrag über Pflanzen für Schmetterlinge, Hummeln und Bienen
Einen sehr umfangreicher Blogpost über verschiedene Methoden, den Bienen zu helfen, findet ihr auch hier auf dem Blog Pflanzentanzen.
Copyright: Das Titelbild ist von Benjamin Zwittnig und wird dank einer Wiki Commons Lizenz verwendet. By Benjamin Zwittnig – CC BY 2.5 si.
Damit sprichst du mir sehr aus dem Herzen… Auch ich gärtnere „wild“ und freue mich am Leben auf den Pflanzen… Ich lade dich herzlich ein, deinen Beitrag zum Naturdonnerstag auf meinem Blog zu verlinken. Ist immer bis Freitagabend geöffnet. Lieben Gruß Ghislana
Danke dir liebe Ghislana! Das mache ich herzlich gerne. Liebe Grüße Kathrin
Dankeschön!