Vor ein paar Wochen habe ich es ja angekündigt: Ich werde ab jetzt regelmäßig über meinen Sitzplatz schreiben und würde mich sehr freuen, wenn ihr auch Lust hättet, eure Geschichten zu teilen. (Mehr darüber hier)
Vieles wird einem ja nur dann bewusst, wenn man anfängt darüber zu schreiben und so ist mir auch erst beim Zusammentragen meiner Notizen aufgefallen, wie sehr der März ein Monat des Übergangs ist. Viermal war ich im März an meinem Sitzplatz, meist einmal pro Woche. Zweimal war es kalt und sonnig, einmal sonnig und warm und einmal regnerisch und immer noch recht kalt. Und das alles im ständigen Wechsel. Ein Wechselbad der Gefühle. Zwischen 14 und 4 Grad lagen manchmal nur 24 Stunden. Es war ein dauerndes Hin und Zurück, und erst gegen Ende des Monats gewonnen langsam (aber wirklich nur ganz langsam) die Frühlingsmomente die Oberhand.
Der März begann mit Schnee und großer Kälte und endete im Sonnenschein. (Hoffentlich, die Wettervorhersage lässt mich noch zweifeln).
Sitzplatz am 6. März: 4 Grad, sonnig, kalter Wind
Ich war beim Wolfstracking im Hohen Fläming (Bericht dazu hier) und es war wirklich eisig kalt. Am Tag meiner Rückkehr brach die Kälte und als ich einen Tag später bei schönem Sonnenschein an die Bille wandere, ist der Schnee schon geschmolzen, der Boden aber immer noch extrem hart. Nach meinen Trackingerfahrunge vom Wochenende bin ich ganz begierig auf Spuren, diese sind aber im vereisten Boden nicht zu finden.
Dafür nutze ich die Gunst der Stunde und laufe bis ganz hinten auf der kleinen Halbinsel, wo ich meinen Sitzplatz habe. Den ganzen Winter über war der Weg nicht zugänglich, da es viel zu matschig und sumpfig war (und im Sommer ist er dicht mit Brennnesseln bewachsen.) Im letzten April habe ich hier an einer kleinen Eiche die Fegestelle eines Rehbocks entdeckt und auch die Rehe selber sehr häufig gesehen. Heute finde ich nur eine tote Ente im Wasser. Woran sie wohl gestorben ist? Äußere Anzeichen sind nicht zu sehen, war es die Kälte? Andere Enten scheinen sie gut überlebt zu haben, ich sehe heute besonders viele. Auch die Mäusebussarde sind wieder unterwegs, markieren mit vielen Rufen ihr Revier. Auf dem Rückweg sonnt sich der Graureiher wieder hinter der Unterführung, hier habe ich ihn im Februar schon mal gesehen. Ich versuche mich an ihn anzuschleichen, leider erfolglos.
Das war der letzte schöne Tag für die Woche. Das Wetter verschlechtert sich, es regnet die nächsten Tage. Als ich das nächste Mal zum Sitzplatz komme, fast eine Woche, später sieht es ganz anders aus.
Sitzplatz am 14. März: 8 Grad, bedeckt und grau, regnerisch
Schon bevor ich meinen Sitzplatz erreiche, werde ich mit einer Schwierigkeit konfrontiert. Die kleine Unterführung direkt vor meinem Sitzplatz ist überflutet. Ich will trotzdem unbedingt zum Sitzplatz, ziehe meine Stiefel aus und wate barfuss durch das eisige Wasser. Trotz dieser Aktion habe ich kein Glück, denn die Bille hat die gesamte Au überflutet. Es ist ungefähr das 6. oder 7. Mal in diesem Winter. Im vorhergehenden Winter war das höchstens einmal der Fall. Was wohl der Normalfall ist? Die Eichen, die an meinem Sitzplatz wachsen, können bis zu 60 Überschwemmungstage im Jahr tolerieren, aber diese dürften diesen Winter bald erreicht sein. Weiden und Schwarzerlen sind da noch unempfindlicher, aber das sind ja auch Bäume, die nur in Wassernähe wachsen.
Für heute suche mir einen alternativen Sitzplatz weiter oben am Hang, habe aber kein Glück dort, finde keine Ruhe.
Sitzplatz am 18. März: 1 Grad, sonnig
Eine Woche später: Der Wetter hat sich erneut gewandelt, die Kälte ist zurück. Das Wasser ist in riesigen Pfützen gefroren. Der Tag ist aber sonnig und ich freue mich, wieder zu meinen Sitzplatz zu kommen. Als ich dort ankomme, erwartet mich eine Überraschung: Die Überflutung der letzten Woche hat die Bäume weggeschwemmt, die sich seit letztes Jahr November dort gesammelt hatten, weil eine ins Wasser gestürzte Erle den Abfluss blockiert hatte. Flussabwärts sind dafür neue Inseln im Wasser entstanden. Ob die Wasserralle wohl mal wiederkommt? Seit November habe ich sie nicht mehr gesehen. Heute sind die Vögel sehr aktiv, scheinen den Frühling förmlich herbeizusingen. Vor allem die Spechte sind sehr auffällig, überall hört man ihren Kontaktruf und ihr Trommeln. Zwei Dompfaffenmännchen sind unterwegs, scheinen sich aber gar nicht zu bekämpfen, auch bei drei Eichelhähern bin ich mir nicht sicher, was sie da gemeinsam machen.
Sitzplatz am 27. März: 10 Grad, warm und sonnig
Auf dem Weg noch vor der Unterführung ein ganzer Schwarm leider nicht identifizierbarer Vögel, die mich an Seidenschwänze denken lässt. Hektisch reisse ich mein Fernglas aus dem Rucksack, doch vergeblich, ich kann sie nicht genau erkennen. Seidenschwänze habe ich den ganzen Winter keine gesehen und vermute auch, dass sie generell schon wieder abgereist wären … wer es wohl war?
Zum ersten Mal seit November finde ich wieder Losung auf der Weide. Ist es überhaupt Losung? Ich bin mir nicht sicher. Etwas ähnliches habe ich letztes Jahr auf einem umgefallenen Baum gefunden, weiter hinten in Richtung Fegebaum. Der Fund ist klein, kompakt und recht hart – das kann aber auch an der Witterung liegen. Drinnen finden sich schuppiges Bestandteile, winzige Knochen. Kann das auch ein Gewölle sein?
An der matschigen Stelle unter den Weiden sind wieder Rehspuren, offensichtlich ist hier ein Wechsel, denn das ist nicht das erste Mal, das ich dort Spuren finde. Ich muss hier mal eine Spurenfalle anlegen, Sand mitnehmen .. irgendwann nach Ostern.
Die Eichelhäher sind wieder extrem aktiv, wieder sehe ich drei, die miteinander unterwegs sind. Aus der Ferne sind Kraniche zu hören. Sonst viel Meisen und Spechtgesänge, aber noch kein Zilpzalp. Ist er schon da?
Als ich durch die Unterführung wieder zurückkehre, finde ich die Deckel meines Fernglases wieder, die ich vorher in der Eile verloren hatte. Vom Reiher leider keine Spur.
Funde woanders:
Im Fichtenwald auf der anderen Seite der Gleise finde ich eine alte Rupfung, vermutlich einer Taube. Der Täter war wahrscheinlich ein Fuchs, die Kiele haben deutliche Bissspuren. Wo der Fuchs wohl seinen Bau hat? Seine Spuren habe ich jetzt bereits mehrfach gefunden.
Das war also mein Sitzplatz im März. Ich gebe zu, dass klingt jetzt nicht durchgehend aufregend. Für mich ist es das aber, ehrlich gesagt, schon. Denn ich merke, so ganz langsam, wie aus diesen Aufzeichnungen ein Bild entsteht, wie ich immer mehr über diesen kleinen Platz an der Bille lerne und verstehe, was dort geschieht. Und das gibt mir Verbindung zu diesem Ort, zur Natur, zu mir selbst. Das macht mich glücklich.
Habt ihr euren Sitzplatz gefunden? Was passiert dort? Wie haben die Tiere auf die Kälte reagiert? Welche Vögel singen bei euch? Ich würde mich sehr freuen, eure Geschichten zu lesen.
Eure Kathrin